Ich bin Clown. Ich bringe Menschen zum Lachen, Jung und Alt, wie es so schön heißt. Ich bin Profi. Ich bringe einfach jeden zum Lachen. Das ist mein Job, dafür werde ich gut bezahlt.
Mit meiner Frau Katja habe ich oft darüber gesprochen, immer habe ich gesagt, ich kann und will das nicht – und irgendwann war das Thema dann auch durch. Aber in dem Jahr, am ersten Advent, hat sie mich doch überredet.
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Als Profi begeistere ich sechs Abende die Woche Erwachsene. Als Teil einer Dinner-Event-Show bin ich irgendwo zwischen Hauptgericht und Trapeznummer an der Reihe. Etwas Slapstick, Akrobatik und Zauberei – zwanzig Minuten volle Konzentration, harte Arbeit. Es ist mein Job, wie schon gesagt, dafür werde ich bezahlt, gut bezahlt. Spaß macht er mir nicht. Nicht mehr.
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Angefangen habe ich als Clown in einem kleinen Wanderzirkus. Immer einen Blick in Dutzende strahlende Kindergesichter. Ich war glücklich und erfüllt, jeder Auftritt war ein Geschenk für die Mädchen und Jungs – und für mich. Auch privat, denn irgendwann eines Tages kam Katja nach einer Vorstellung auf mich zu, noch schmunzelnd und glucksend. Sie hatte immer noch Bauchschmerzen vom Lachen und fragte, ob ich nicht bei der Weihnachtsfeier in ihrer Grundschule auftreten könne. Sie war mit ihrer 2. Klasse in unserem Zirkus gewesen. Die Weihnachtsfeier war toll, unsere Hochzeit ein Traum, nur dem Zirkus ging leider bald das Geld aus.
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„Bitte!“, sagte Katja, genau in dem Ton und mit dem Blick, bei dem ich nicht Nein sagen kann. „Weißt du noch, damals im Zirkus?“ - Katja hat mittlerweile wohl den schwersten Job, den man haben kann. Sie arbeitet in einem Kinderhospiz. Jeden Tag. Ich weiß nicht, wie sie das aushält. Vielleicht hält sie es ja auch gar nicht aus, wir reden selten darüber. Eigentlich gar nicht. Obwohl wir schon seit fünf Jahren verheiratet sind.
„Fabian ist sieben und seit zwei Monaten bei uns, und ich habe nicht einmal einen Hauch von einem Lächeln gesehen, nicht mal ansatzweise. Ich habe schon alles probiert. Bitte!“ - Katja hatte mich früher oft gebeten, fast schon gedrängt, ich solle so etwas wie „Clown im Krankenhaus“ machen, aber ich habe mich immer gesperrt.
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Ich war in ganz großer Kostümierung. Große Schuhe, buntes Clownskostüm, meine uralte Struwwelperücke
und natürlich die rote Nase. Gegeben habe ich mein „Best of the Best“ aus Zirkuszeiten, habe grimassiert und gezaubert. Fabian schaute mir mit großen Augen zu. Er fand vielleicht das ein oder andere, wie soll ich sagen, nicht in dem Sinne lustig, aber zumindest war da eine kleine Freude, die ich gesehen zu haben meine. Seine Augen wirkten nicht mehr so leer wie in dem Moment, als ich in das Zimmer kam. Nur verzaubern konnte ich ihn nicht, kein Lächeln auf seinem kleinen Gesicht.
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Ich setzte mich auf Fabians Bettkante, verärgert über Katja, über mich, nahm meine Perücke ab und auch meine rote Nase. Da mein Gesicht so doll geschminkt und ich auch ganz schön ins Schwitzen gekommen war, fielen Fabian meine Tränen nicht auf, die mir über die Wangen liefen und die ich verstohlen wegwischte. Auch das bilde ich mir zumindest ein.
Es war bald Weihnachten, die zweite Kerze auf dem Kranz brannte an dem heutigen Adventsabend.
„Was wünschst du dir denn dieses Jahr vom Weihnachtsmann, Fabian?“, fragte ich, um wenigstens irgendetwas Aufmunterndes sagen zu können.
„Nichts …“, sagte er nur ganz leise.
„Nichts?“, fragte ich, fast ebenso leise – und überrascht. „Jeder Junge wünscht sich was zu Weihnachten!“
„Katja hat zu Mama und Papa gesagt …“
– „Du blöde, dumme Kuh …“ (ich ahnte, was Fabian sagen würde) –
„… dass ich zu Weihnachten …“
– „…wie bescheuert bist du eigentlich?“ –
„… nicht mehr da sein werde.“
– dachte ich voller Zorn auf Katja.
Wahrscheinlich hatte sie gedacht, dass Fabian schläft und nichts hört. Fabian wirkte dabei völlig gefasst.
Es war der zweite Advent, keine drei Wochen bis zum Heiligen Abend. Mir ging es jetzt noch schlechter. Ich senkte den Kopf.
Fabian half mir. „Eine kleine schwarze Katze.“
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„Weißt du, was Weihnachten geschehen ist?“, fragte ich.
„Das Christuskind ist geboren.“, sagte Fabian ohne zu zögern.
„Und weißt du, wer das Christuskind ist?“
„Gottes Sohn?!?!“ Es war etwas Fragendes in dieser Antwort.
„Ja, richtig.“, sagte ich. „Und weißt du was? – Gott hört uns jetzt gerade zu und ich bin sicher, dass er alles tun wird, was er kann, damit du deine kleine schwarze Katze zu Weihnachten bekommst, das verspreche ich dir.“
Ich weinte. Fabian lächelte.
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Heute ist der zweite Advent. Es ist jetzt fünf Jahre her. Fabian starb am 20. Dezember, vier Tage vor Heiligabend. Ich sah es sofort in Katjas Augen, als ich an dem Abend nach der Show zur Tür herein kam. Unsere Umarmung schien endlos zu dauern.
Ich denke oft an Fabian. Immer am zweiten Advent, immer am 20. Dezember. Manchmal auch ganz plötzlich, wenn ich zum Beispiel einen kleinen Jungen sehe, der Fabian ähnelt.
Und immer, immer, wenn ich eine kleine schwarze Katze sehe, spielend auf der Straße, auf der Pirsch
in einem Garten oder ruhend auf einer Fensterbank, schaue ich in den Himmel und sage ganz leise, aber
noch laut genug, damit die zwei es in ihrem selbstvergessenen Spiel da oben hören können: „Fröhliche Weihnachten, ihr Räuber!“
Zauberhaft berührend, lieber Herr Käthler.
AntwortenLöschenDanke dafür.
Stammt die Geschichte von Ihnen?
Ich finde sie großartig.
Fröhliche Weihnachten Ihnen.
Alexandra Ripken